St. Galler Tagblatt | St.Gallen/Gossau:
Helene Mäder aus Gossau wird drei Monate in der Kulturwohnung des Kantons St. Gallen in Rom leben
In den Arbeiten der Gossauer Kunstschaffenden Helene Mäder stehen Menschen im Mittelpunkt. Im Sommer und Herbst werden es Südländer sein: Sie darf während drei Monaten in der Kulturwohnung des Kantons St. Gallen in Rom leben und arbeiten.
Rita Bolt
Helene Mäder freut sich, dass sie eine der Auserwählten ist, die drei Monate das mediterrane Klima Roms geniessen darf. Dies hat sie einem Auswahlgremium des Amtes für Kultur des Kantons zu verdanken. Dem Gremium gehörten an Kathrin Hilber, Walter Lendi und Dieter Meile. Helene Mäder zeigt auf ihre eingereichten Bewerbungsunterlagen: Kopien ihrer Arbeiten, ein Lebenslauf und ein von Hand geschriebener Brief, in dem sie die Beweggründe auflistet, warum sie nach Rom möchte. «Als die Zusage am 22. März kam, habe ich einen lauten ‹Goiss ablo›», erzählt sie freudestrahlend.
Kulturwohnung in Rom
Die Kulturwohnung in Rom ist fertig eingerichtet. Der Kanton bietet mit dieser Wohnung Kunstschaffenden die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen oder an einem bestimmten Projekt zu arbeiten. Derzeit lebt der Journalist Ralph Brühwiler in dieser Kulturwohnung - er schreibt einen Roman. Nach dem Aufenthalt von Helene Mäder wird der St. Galler Künstler Hans Thomann die Wohnung beziehen. Was wird Helene Mäder in Rom machen? «Ich will das mediterrane Leben mit allen Sinnen spüren und einfangen», erklärt sie. Sie werde die Sonne und Wärme geniessen, die sakralen Orte Roms aufsuchen und die Kultfilme Fellinis ansehen. «Ich werde das Leben und die Menschen malen», erklärt sie. «Ich werde viel arbeiten.» Die Inspirationen Roms würden vielleicht ihre Malerei verändern. «Ein traumhaftes Abenteuer», freut sich Helene Mäder, die von sich sagt, dass sie immer in Bewegung sei. Dass sie dieses Abenteuer allein unternehmen muss, macht der Mutter von vier Kindern kein Kopfzerbrechen. «Ich habe Vertrauen in mich. Und meine Familie wird ohne mich gut zurechtkommen.»
Atelier in Flawil
Die gelernte Textilentwerferin Helene Mäder hat sich im Habis-Areal in Flawil ein 200 Quadratmeter grosses Atelier eingerichtet. «Hier bin ich glücklich», sagt sie und breitet ihre Arme aus, als wollte sie ihr kleines Königreich umarmen. Am Boden liegen Holzdrucke, auf dem Tisch gibts Dutzende von Pinseln und Farben. An der Wand über dem schwarzen Sofa hängen zwei Bilder - ein Bild ist figürlich/abstrakt, im zweiten Bild lässt sie Formen und Farben sprechen. Das abstrahierte Bild sei eines ihrer Lieblingsbilder. Sie habe es vor zwei Jahren gemalt, es sei das erste Bild dieser Art gewesen. «Ein Meilenstein in meinem Leben.» Im hinteren Teil des Raumes lagern viele Bilder: gemalt mit Öl- oder Acrylfarben. Sie male, wie und womit es ihr gerade Spass mache. «Je nach Gefühl übermale ich ein Bild, auch wenn ich drei Monate daran gearbeitet habe, x-mal», erzählt die Kunstschaffende, die seit 1998 in Flawil Kurse für experimentelles Malen anbietet.
Ein innerer Drang
Die gebürtige St. Gallerin ruht nie. Sie hielt sich in den vergangenen Jahren mehrere Wochen in den Kunstakademien in Trier und Salzburg auf. Sie belegte an verschiedenen Orten Kurse in Aktzeichnen, Lithografie, Bildhauerei, Fotografie und Aktmodellieren, absolvierte die Ausbildung als Erwachsenenbildnerin und nimmt mit ihren Werken regelmässig an Ausstellungen teil. Malen, am liebsten Menschen, ist aber ihre grosse Leidenschaft. «Mit Farben, Formen und Linien drücke ich meine körperlichen und gedanklichen Empfindungen aus. Es ist ein freies Spiel von Begegnungen, Rhythmen und Beziehungen», erklärt die quirlige Malerin. Je länger, je mehr spüre sie einen Drang zum Malen, und es ziehe sie regelrecht in ihr Atelier nach Flawil. Ihrem Lieblingsplatz, dem Flawiler Atelier, wird sie nun bald für drei Monate den Rücken kehren. Abreise nach Rom ist nämlich am 1. August. Was wird sie alles in ihrem Gepäck mitführen? Helene Mäder überlegt nicht lange: «Natürlich Skizzenbücher, Zeichnungsmaterial, Farben und Pinsel.»