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Abzweigung nach Rom

St. Galler Tagblatt | Wil:

Ausstellung «Roma - Amor» von Helene Mäder-Stieger

Flawil. In der Stadt Rom besitzt der Kanton St.Gallen eine Kulturwohnung, die er an ausgewählte Kunstschaffende vergibt. Während drei Monaten lebte und arbeitete die Malerin Helene Mäder-Stieger in der «Ewigen Stadt».
Stefan Hauser

Wer mit Helene Mäder spricht, wird von ihrer Begeisterung mitgerissen - Begeisterung fürs Malen, aber auch und vor allem für Rom. «Eine intensive Stadt, die sehr viele Dinge bietet, die zu entdecken sich lohnt!» Und entdecken, aufdecken habe sie in der ersten Zeit viel müssen: «Anfangs muss man überall auf die Suche gehen, seine Pflöcke einschlagen und sein Nest und Netz selber aufbauen - Wege, Einkaufsmöglichkeiten, Kontakte.» Ob das nicht Überwindung brauche, an einem völlig neuen Ort gleichsam ins kalte Wasser zu springen? Helene Mäder bejaht: «Ich war persönlich an einem Punkt angelangt, an dem ich mir etwas völlig Neues vorgenommen habe. Ich wollte nicht mehr einfach geradeaus weitergehen, sondern vom bekannten Weg abbiegen.» Diese Abzweigung hat die Flawiler Malerin direkt nach Rom geführt: Aus 27 Bewerbungen für die Kulturwohnung in Rom wurde die Künstlerin vom St.Galler Amt für Kultur ausgewählt. «Und so wurde eine Dreieinhalb-Zimmer-Wohnung im Quartier San Lorenzo gleich hinterm Termini von Anfang August bis Ende Oktober vorübergehend mein Zuhause.»
Menschen, Farben und Formen

«Rom verbinden viele mit dem Gedanken an Monumente, Plätze und vor allem Kirchen. So habe ich mir denn vor Reiseantritt vorgenommen, mich malerisch mit diesem Thema auseinander zu setzen.» Doch statt sakraler Bauten habe sie vor allem eines als ersten Eindruck wahrgenommen: «Menschen, Menschen und noch einmal Menschen», erinnert sich Mäder zurück. Entstanden sind darum viele Kreidezeichnungen und Ölbilder mit Leuten - in allen erdenklichen Posen und bei allen möglichen Beschäftigungen: «Ich wurde schlicht eingesogen von dieser Stadt und ihren Bewohnern oder Besuchern.» Neben den Menschen sprangen ihr Farben und Licht ins Auge, sodass neben den figürlichen auch einige flächige Werke mit kräftigen Kontrasten entstanden sind. Aber: «Es waren schlicht zu viele Eindrücke, als dass sie alle in Bildern hätten verarbeitet werden können», führt Helene Mäder aus. «Oftmals habe ich Bilder immer und immer wieder übermalt - nun sind sie im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtig, grad so wie Rom.»
Tagebuch in Bildern

Eine gehörige Portion Selbstdisziplin sei dabei gefragt gewesen: «Die Neugierde treibt einem um, ruhe- und rastlos. Ich musste mich selber immer wieder dazu anhalten, zu malen und das zu verarbeiten, was ich tagsüber eingefangen habe.» Um ihre Eindrücke jemandem anvertrauen zu können, habe sie ein Skizzen-Tagebuch geführt. «Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag nach meinen Streifzügen durch Roms Strassen und Gassen eine Skizze oder Zeichnung anzufertigen. Maximal zwei Minuten Zeit habe ich mir jeweils dafür gegeben - ich wollte das Wesentliche einfangen, das, was mir grad zuoberst auf der Seele oder auf dem Herzen lag.» Entstanden ist ein gezeichnetes Tagebuch. Über 80 Seiten umfasst es, darunter sind auch triste Bilder mit wenig Farbe oder verhangenen Formen zu finden. «Ausdruck von Tagen, an denen es mir einmal nicht sehr gut gegangen ist und ich mich müde, allein oder überfordert gefühlt habe.» Doch an das weniger Schöne an der Zeit in Rom vergeudet die Malerin wenig Gedanken: «Alles in allem war es eine tolle Zeit. Die Zeichnungen, die farbenfroh und lebensfroh sind, überwiegen deutlich!», lacht die Malerin. Darum sei es ihr auch schwer gefallen, Rom wieder zu verlassen: «Kaum hat man sich nach drei Monaten richtig eingelebt, muss man wieder gehen.» Ihrem Nachmieter habe sie einen gefüllten Kühlschrank und ein gemaltes «Herzlich willkommen!» dagelassen. «Man fühlt sich als Kunstschaffende anderen Künstlern eben verbunden, auch wenn man sich persönlich gar nicht kennt.»
Ausstellen, um zu verarbeiten

In Rom zu leben und zu arbeiten sei «eine Sache mit Haut und Haaren», intensiv und erlebnisreich. «Ich habe viele Eindrücke gesammelt während dieser drei Monate. Einiges davon habe ich bereits verarbeitet, vieles hat sich noch angestaut», erklärt Helene Mäder. «Irgendwie stehe ich mit einem Bein hier in Flawil, mit dem andern aber noch in Rom.» All das gedanklich und künstlerisch zu verdauen und so Raum zu schaffen für Neues, sei Anstoss gewesen für eine Ausstellung: Zu sehen sind Bilder und Tagebuch-Skizzen, die in Rom entstanden sind: «Ausdruck einer spannenden, eindrücklichen und eindrucksstarken Zeit.»

Atelier Helene Mäder (Habis-Areal, Waldau 1, Haus 5a). Vernissage am Freitag, 10. Dezember, von 19 bis 22 Uhr. Ausstellung am Samstag, 11., und Sonntag, 12. Dezember, jeweils zwischen 13 und 16 Uhr.

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